traian pop traian
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Aus dem Rumänischen von:
***
TIMISOARA,
TIMISOARA
einhundertfünfzig
Mark (DM, klar, was sonst?) und keinen Pfennig drüber
denn
er ist alt und defekt und wer weiß was das Reparieren kostet (Fahrt nach Budapest inklusive)) ich hoffe
du
siehst ein, das ich ihn nur kaufe um dir aus ärgster Not zu helfen und weil ich das Risiko liebe - komm
schlag
ein – diese Geschichte, in der ein professioneller Fotoreporter
von einem Gelegenheitshändler einen professionellen Fotoapparat in tadellosem Zustand für weniger als 3 Komma 5
Prozent
seines
Wertes ersteht habe ich selbst mitangesehen durch das schlecht gestopfte Loch in der Flagge Rumäniens
nach’
89 – ich finde es traurig dass sie sich just in Rumänien zutrug und
ausgerechnet
in Timisoara wo sie sich doch überall sonst hätte abspielen können
der
Zufall der liebe gute gottverdammte wollte es auch dass Timisoara
zum
Schauplatz eines anderen Gesprächs wurde zwischen geneppten Romani
und Rumänen
Die ausgezogen waren ihre Ruhe sonst wo zu finden, und Ungarn und Serben und Kroaten und Tschechen und
Deutschen und Juden
allesamt sehr wohl wissend wie gefährlich es war Geld aus dem Tasche dem Portemonnaie oder gar aus dem Land
herauszuholen
ganz
zu schweigen vom legalen Besitz harter Währung
die
das wachsame Auge des Grenzers sicher längst entdeckt hat
im
Reserverad des klapprigen Reisebusses in den verängstigten
Augen
des Fahrers der zerstreuten Miene des Reiseführers
der
es eilig hat seinen Bericht an den Zollamtschef abzuliefern
allerdings
wäre es ungerecht und weit unter unseren Stand und unseren Möglichkeiten
wollten
wir dies alles für reell und wahr und unabänderlich nehmen
gerade
jetzt wo alles zum Wechseln ist
mehr
noch als Briefmarken, Geld, Hemden, Sitten und Gebräuche, Worte politischer Standpunkt
Verwaltungseinheit,
Weltgegend, Geschlecht, Religion, Moral und vor
allem
Dezember 1995,
Aus
dem Rumänischen von Gerhardt Csejka
***
Man nehme einen Traum
egal welchen / denen
die endgültig wach geworden sind empfehlen
wir jenen
den sie gerade ausgeträumt haben / man wähle
daraus eine Person / einen
der klein beigibt
oder einen der die Front kennt / auf jeden Fall einen
der keinen blassen Schimmer hat
dass es um ihn geht / in seinem Namen
und für seine Taten
knöpfe man sich dann den ganzen Traum vor
verspotte ihn
verhöre ihn
verhackstücke ihn
vermische ihn sorgfältig mit dem eigenen Ungenügen
verziere ihn mit etwas Bedauern
schürze ein wenig Verzweiflung vor
serviere dann je nach Belieben oder Können entsprechend
den Umständen
in Hausschuhen oder Stiefeln
wenn sich die beabsichtigte Wirkung einstellt wiederhole
man das Ganze
wenn nicht lasse man etwas Zeit
vergehen
alle werden glauben
du inbegriffen
das ist es
war es
wird es sein
die Taten nämlich wurden lange schon verschlungen
wie die Rechte eines Autors
Januar 2002, Ludwigsburg
Das Spiel wird jeden
Tag interessanter
gestern hab ich mir
aus der Gummitapete des Gästezimmers ein Hemd zugeschnitten
durch die Wunde an
der einen Wand schau ich in den Bauch der Nacht
meinem Blick bietet
sich ein Steintisch dar
auf dem der
schwangere Tod den Befund des Arztes erwartet
das wird ein
Prachtkerl scheint der zu sagen
während er auf den
stumpfen Gegenstand achtet mit dem das Ungeborene ihm
ans runzlige Ohr des
Stethoskops zu schlagen
versucht
März 2001, Ludwigsburg
***
Aus dem Rumänischen von Horst
Fassel
aus JOCURI ERO(T)ICE -(H)ERO(T)ISCHEN SPIELE Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 2001)
Konkret
versuchen kann’s ich, euch zu belügen
mich hinter vorgehaltener hand zu verstecken,
mich euch ebenbürtig zu fühlen, was falsch ist,
mich über das heroische potential der buchstraben lustig zu machen, die verliebt sind
in das fremde wort,
mich selbst, der ich im schoß der muttersprache einschlummerte,
durch den kakao zu ziehen
im
schlaf diese chance, noch einmal der zu sein der so war,
wie er es wollte,
dem meisten den hut abzuziehen oder zu klauen und meinerseits
ungereimtheit auf ungereirntheit zu häufen,
das unfruchtbare antlitz der heide mit einer ernte von
geistererscheinungen zu bevölkem,
und anschließend im meer der unerlaubten ernteheifer zu versinken,
als ob es nicht ausreicht, daß es gestern schon einmal geschah,
oder vorgestern oder letzte woche und noch weiter zurück
und zuguterletzt ganz am anfang.
ACH JA SIE BEWEGT SICH DOCH
über mich selbst zu lachen, über meine arbeit, über die sonne,
die meine haut versengt,
über die muscheln, die meine zehen ritzen, über meinen status
als besitzer aller träume eines ganzen bataillons von eissoldaten,
die jeder vernünftige mensch vor frühjahrsanbruch ausgesät hätte,
ich sollte über ihr eher häusliches als widerborstiges aussehen
lachen,
über ihr unvermögen, sich früher einmal andernorts anzubiedern mit dem stolz,
der unterwürfigkeit anderer,
mit den relikten früherer gewohnheiten oder den anzeichen kommender,
werde ich sie über das gesetz stellen,
oder sie gesetzlos werden lassen,
werde ich sie daran hindern, gesetze anzuwenden,
oder sie um den finger wickeln,
sie so hinbiegen, wie ich allein es vermag,
damit schließlich du schuld daran bist,
daß alles viel zu familiär klingt, alle konkreten
aussagen, im gegensatz stehen
zu dem mangel an realität.
Ludwigsburg, Juni 2000
Erholung
urplötzlich wachst du wie von allein auf
in der bequemen lage dir eine spezifische situation
eines jeden zwischenaufenthals bewußt zu machen
voll akzeptiert von der Geschichte die dich nicht loslassen will
unterwürfig und schweigsam wie du bist bis zum nächsten ereignis
was ist mir denn, was zum teufel
paßt mir da nicht,
gerade jetzt wo ich keinen grund habe vor mir selbst davonzulaufen
je zweimal auf jeder neuen seite
zum preis von ungefähr
zwei
kapiteln
Ravenna, Lido Adriano,
Beim Lesen einer Literaturzeitschrift
in
einem hotel mit jagdgeschichten
stach
mich eine mücke in stirn und knöchel
daß der Stich vom gleichen stachen ausging steht fest
er hat seine kraft zunächst an der scheuernden haut des
rehs des hasen der wildsau oder des fasans erprobt
ist dann wie durch ein wunder dem bleihagel des jägers
entkommen
wäre es nicht so wie ist es möglich daß alle ärgernisse der welt mich anrühren
während ich mich über das nachtkästehen beuge
ammeerindenbergenimurlaubaufdienstreiseoder
auf der durchfahrt
Istvan, Mosonmagiaróvár, August 2000
Kurzschluß
die schaluppe der grenzwächter paßt
ein gumiboot überfüllt mit pohtisch-ökonomischen ruderern
nimmt sie ins schlepptau
von oben richten sich mehr als ein dutzend augenpaare und mps
auf sie auch eine kamera
mit der die schmugler die szene ungekürzt aufnehmen
im
schneckentempo
Ravenna, Lido Adriano, Juni 2,ooo
Wie ein anderer...
er kann weder sprechen
noch schweigen[1]
er kommt und läßt seine gefühle mitten unter uns einfach stehen[2]
schließlich und endlich
das bleibt von der frage die ohne ihn weder kraft noch saft hätte
und sieh mal
gar nicht zögert ihn sitzen zu lassen
gerade jetzt während das gekochte auge des ziegenbocks zischt wie ein ganter
über dem topf mit gernüse und kräutem
die man fünf mal aufkochen ließ
noch haben keine gerüchte ausgeschwitzt
mehr oder minder
voraussehbare
Weidental, August 2000
[1] wenn nämlich ein anderer einen gedanken äußerst, der ihm selbst vielleicht irgendwann gehört hat
[2] die alle mit meinen identisch sind wie ich bemerke
ich höre Vasilis zu wie er griechisch
türkisch ungarisch serbisch deutsch und rumänisch singt
das ist doch was
anzuhören wie ein und dasselbe in anderen sprachen klingt
wahnsinnig muß man sein wenn man nicht zugibt
wie das einem zusetzt
PROTESTNOTE
er verliest die Protestnote
weiß nicht warum aber man läßt es zu
sie liest die Protestnote (die gleiche?)
weiß nicht wie aber man läßt es zu
er will sie unterzeichnen
weiß nicht warum aber man verbietet es ihm
sie will ebenfalls
zu spät sagt man ihr
sie gehört
bloß zu den
Lebenden
Cannes, Juni 1998
alles OK hieß es als er ihn unversehrt und
unbehelligt sah
er hätte ihn umarmen mögen
allein es gab ein weiteres Problem
die ausgeliehene Fahrradkette mit der das
Treppenhaus
abgeriegelt werden sollte war dazu
nicht imstande
ebenso scheiterten alle Versuche den toten
Nachbarn daran zu hindern
in die Stadt zu gehen und Brot
Kerzen und Streichhölzer
zu suchen
Cannes, Juni 1998
das geschah am Tag nachdem Ion Monoran die
Wodkaflasche von
Nichita Stanescu nahm um sie Bacovia auf dem Bellu-Friedhof zu
bringen
Rolf Bossert ließ sich gerade am Blitzableiter
des Schriftstellerhauses herab Virgil Mazilescu biß ein Stückchen
Gedicht vom
Tragebeutel
mit Gemüse ab
Matei Visniec verteilte Märchen mit Blinden Florin
Iaru erlernte ein Lied zum Überqueren der Straße
Was würden wir rumänischsprachige
Schriftsteller ohne die
deutschsprachigen anfangen
fragte sich Mariana
Marin
Eugen Jebeleanu traf eben mit
seinen beiden altbekannten Zicken ein und jeder
wußte daß es
an der Zeit war
Eugen Suciu einen Besuch abzustatten
es regnete bitterlich und
wir zwei Narren streckten uns unter dem
Tropfenfall auf dem
Siegesboulevard aus
wir sind frei
wir sind frei
wir sind frei tönten wir - jaja
ihr seid schon frei, schien jetzt
das blinzelnde Auge der Ampel zu sagen
die in die Reserve
zurückgezogen wurde
aber ein beneidenswertes Gedächtnis
besaß
nach 15 Jahren, Cannes, Juni 1998
die gelbe Tram ein Dotter hält
in der Haltestelle wo du gestern
den Tag um die Ohren schlugst
still öffnen sich die Türen du wirst
festgehalten von den Blicken der Schaffnerin
und wirst
von einem Wal verschluckt
der Schrecken
aus Dunkelheit den sie
mit ihren Karieszähnen kaut
wird dich von nun an
niemals
verlassen
Cannes, Mai 1998
aus SAPTAMANA 53 (DIE 53. WOCHE) Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 1998
MORGENDLICHES
aus dem Meer fließen hinab die Sonnenstufen
aufs trockene Land, ausgedörrt
von Bemühungen
Ameisen
steigen treppauf und treppab
und öffnen der Ferne die Augen
Temeschburg, 1973
STILLEBEN
Niemand leuchtet hinaus aus
der im Dunkel geparkten Tram
schlaftrunken gähne ich nicht
um auf keinen Fall das Gleichgewicht
zu stören
Temeschburg, 1974
***
Aus dem Rumänischen von Georg Scherg
aus SAPTAMANA 53 (DIE 53. WOCHE) Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 1998
BAHNHOF
Geschaukel von Stoßfedern
verrät Berührungen
in der Glocke
gebiert sich
die Stunde der Wasser
von Salz
und Felsgestein
Temeswar, 1973
SPAZIERGANG
überall habe ich dich gesucht
mit jedem Schritt zwischen den
Blumen
die Wege gemordet
Bukarest, 1971
EINSAM**
ach wo ist der Schnee
in dem ich einst die Augen mir
wusch (Tropfen
von Nebel
überm Kleid aus Wassern)
Temeswar, 1973
Dies
Tal voll Wein die Trauben
haben
kein Blut mehr
die
Kelter verleitet die Hände
die
Stimmen die Blicke
wer
wird fähig sein
diesen
letzten Ertrag zu werten
wer
wenn
der Drehbuchverfasser nicht
der
sich mit seinem schwarzen
Humor
übernimmt
dem
Fluß gleich der ohne Wasser
fortfährt
allerlei Steinbrocken
zu
wälzen
unaufhörlich
um
seine
Furt zu verbreitern
ihm
Einhalt zu gebieten
stünde
gewiß in unseren
vereinten
Kräften (welche Macht gäbe das
Tal
voll Wein)
freilich
aber haben die Trauben
kein
Blut mehr
und
die Kelter verleitet die Hände
die
Stimmen die Blicke
ach
wenns
mit der Lese nur bälder
zu
Ende ginge
Temeswar,
1989
***
aus JOCURI ERO(T)ICE -(H)ERO(T)ISCHEN SPIELE Ged., Verl. Marineasa, Temeswar, 2001
(MEIN)
TROJANISCHES PFERD
jede
liebeserklärung enthält einen virus
jeder
virus enthält eine andere facette der wirklichkeit
die
darauf beharrt salz auf die wunde des rechten zeigefingers
zu
streuen
die
heutige wirklichkeit ist identisch mit der von gestern
nur
steht sie etwas näher
jener
wirklichkeit der niemand entgeht
ein
virus ists ach ein virus so steht geschrieben auf ihrem
halbblinden
bild/ und alle
schieben
die schuld auf den verfall der sprache
das
politische chaos bei den nachbarn/ kann
uns
was immer sagen
und
es sagt es so schön daß wir ihm wirklich glauben
meine
heutige realität ist dein hungriges pferd
wenn
es zur plünderung einbricht in meine poeme
jener
akt der mich verurteilt nicht wissend daß du mein schicksal teilst
die
wunde des rechten zeigefingers
wird
sich nie schließen
das
fühle ich und werde auch nicht versuchen
zu
verhindern daß der nagel des linken zeigefingers
immer
wieder neu die wunde aufreißt
(Aus
rumänischen von Dieter Schlesak)
Bio -Biblio Veröffentlichungen Texte Freunde News&Presse Links
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Stand: 2006-05-29 22:26:34 +0200